Eine einsame Plastiktüte im Wind

Ein von Regen verhangener Mond zieht seine Bahn über den Himmel, der wie durch Steine beschwert auf dem Grund der Straßenzüge liegt. Zu beiden Seiten: metallisch, glänzende Häuserschluchten mit tief in die Erde reichenden Wurzeln. Ein Vogel der im Wind singt. Eine blubbernde Kaffeemaschine. Eine wärmende Heizung im Sonnenlicht. Von der rechten Seite weht eine einsame Plastiktüte ins Bild.

PLASTIKTÜTE           
Wo bin ich? Wo ist das alles hin? Meine Hoffnung? Mein Optimismus? Meine Steuererklärung? Noch eben gedacht, schon jetzt versäumt und bald nur noch geträumt. Die Luft wird blind und stumpf, die Wolken kalt und leer. Lass mich im Arm der Sonne liegen, lass mich baden im Atem des Grünen und … lernen! Lass mich so viel lernen von dir. Begreifen wie der Hund den Fisch ertränkt, verstehen wie der Wind den Bäumen singen lehrt. An dem Ort an dem der Regen fällt, wächst eher Gras über die Sache und genau darum versucht der Wind mich eben dorthin zu tragen, an den Rand der Wassertränke, mit Blick auf Freiheit und Geselligkeit. So fern und doch so nah. Die Kerze brennt im Walzertakt und schenkt der Anschrift rotes Licht. Wehe dem schmachten nach Stillstand. Greif nicht zu fest, sonst bricht der Schatz einmal in der Mitte durch und verteilt den Inhalt auf den Küchenfliesen. Drück nur einmal kurz den Stern. Lass ihn ziehen, lass ihn fliegen, lass ihn Socken bügeln. Behalte nur das Abziehbild an deiner Brust, auf das du munter seufzend lügst und nicht vergisst, wie schön der Plätzchenduft den Schornstein füllt. Nur einen Augenblick und der Regen ist vorbei … ein kurzer Augenblick. Eine halbe Ewigkeit und der Sommer strahlt erneut im Licht der Ungewissheit. Was ist denn das? Dieses sogenannte Leben? Rufen sie mich bitte an, wenn sie es gefunden haben! Und für den Fall, dass es wieder Armleuchter vom Himmel regnen sollte, können sie ihren Verstand gerne an der Garderobe abgeben, doch bis dahin sollten sie ihn noch bei sich tragen. Es reicht wenn er in ihrer Geldbörse sitzt, da ist es wenigstens schön warm.

Die einsame Plastiktüte im Wind dreht sich noch einmal um ihre eigene Achse und wird dann von einer Böe davongetragen.

24.06.2020