Forgotten Things (AT)

Eckdaten

Text
Frei nach Felicia Zeller „Meine Mutter war einundsiebzig und die Spätzle waren im Feuer in Haft“

Regie / Sound
Marten Straßenberg

Austattung
Susanne Wilzeck

Mit
Kerstin Hänel, Stephan Mertl, Thomas Straus;
sowie Selina Bär, Anetta Chiantone, Saskia Frunkte,
Birk Menzel, Mees Menzner, Luca Schenk

Premiere
29.03.2019
Landestheater Coburg

„Es ist kein konventionelles Drama, eher schon ein Gesamtkunstwerk, das der junge Regisseur als „assoziativen Theaterabend“ aus Felicia Zellers Stück „Meine Mutter war einundsiebzig und die Spätzle waren im Feuer“ entwickelt hat und mit eben so viel Sensibilität wie Fantasie, Gestaltungskraft und einer Prise bitter-groteskem Humor auf die Studiobühne bringt.“ 

(Neue Presse Coburg)

„In der Kombination aus gesprochenem Wort, Klang und choreographischen Akzenten bewies Straßenberg feines Gespür für die wirkungsvolle Verbindung sehr unterschiedlicher Elemente. Vor allem aber: Das Trio Hänel, Mertl und
Straus spielte die ungleichen drei Senioren mit großer Intensität
und genauem Gespür für Zwischentöne
.“ 

(Coburger Tageblatt)

Wir wollen alle immer älter werden, aber nicht alt sein. Spätestens seitdem ein junger Mann während des letzten Bundestagswahlkampfs vor laufenden Kameras die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Missstände in der Pflege ansprach, ist das Thema in aller Munde. Das Wort vom Pflegenotstand macht die Runde. Während der Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesellschaft wächst, nimmt die Zahl der pflegenden Angehörigen ab und der Bedarf an Personal steigt. Und es geht um eine Größenordnung von 15.000 fehlenden ausgebildeten Pflegekräften. Gleichzeitig stehen Pflegeeinrichtungen und die darin Beschäftigten unter einem immer größer werdenden wirtschaftlichen Druck: Pflege muss sich rechnen und nach Möglichkeit Gewinn abwerfen. Aber wie passen ökonomischer Gesichtspunkte und ein menschenwürdiger Lebensabend zusammen?

Jenseits aller sozialpolitischen Herausforderungen angesichts der vielzitierten überalterten Gesellschaft konfrontiert uns der Themenkomplex aber auch mit grundsätzlichen, ethischen Fragestellungen. Was bewirkt die Überalterung in einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung? Wie viel ist ein Mensch noch wert, wenn er in diesem System nichts mehr beisteuern kann? Wonach bemisst sich der Wert des Lebens? Und wie schnell folgt das Vergessen und Verdrängen? Wie gehen Familienangehörige damit um, wenn die Eltern hinfällig werden und auf Pflege angewiesen sind?

Ausgehend von dem Theaterstück „Meine Mutter war einundsiebzig und die Spätzle waren im Feuer in Haft” von Felicia Zeller, worin die Autorin Anfang der 90er Jahre auf poetische Weise das Leben in einem Altersheim darstellte, entwickelt Regisseur Marten Straßenberg gemeinsam mit seinem Ensemble einen assoziativen Theaterabend. Neben Felicia Zellers Stück finden andere Texte, aber auch Tanz und Bewegung, Sounds und Video Eingang in diesen Theaterabend.

Einen anderen Umgang im Verhältnis mit dem Tod gewinnen, ist einer der Aspekte, die den jungen Regisseur Marten Straßenberg an dieser Auseinandersetzung interessiert. Der Sterbeprozess, die Begegnung mit dem Tod findet abgeschirmt von uns in dafür vorgesehenen Einrichtungen statt, begleitet von denjenigen, die von Berufs wegen dafür zuständig sind. Dabei wäre es eine Chance für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft, einen anderen Umgang im Verhältnis zum Tod zu entwickeln und ihn als Teil des Lebens anzunehmen. Anstatt das Lebensende auszusparen, zu institutionalisieren und professionalisieren, wäre ein offenerer Umgang damit vielleicht die Chance auch Veränderungsprozesse im Bereich der Pflege in Gang zu setzen.

Angereichert mit biografischen Details erzählt die Inszenierung vom Alltag dreier Senioren, gespielt von Kerstin Hänel, Stephan Mertl und Thomas Straus, in einer Altersresidenz. Wir erleben die Bewohner in ihrem letzten Lebensabschnitt in ihren täglichen routinierten Abläufen, angewiesen auf die Hilfe professioneller Pfleger. Das Recht auf eine individuelle, selbst bestimmte Lebensgestaltung auf der einen Seite, und die reglementierten Abläufe des Heimalltags auf der anderen Seite kollidieren, was Stoff für Konflikte, aber auch für komische Situationen liefert. Und durch die Besetzung der Pflegerinnen und Pfleger mit Mitgliedern des Jugendclubs spielt auch der Generationenvertrag noch mit hinein in diese Versuchsanordnung.

Auch die – abwesenden – Angehörigen erhalten eine Stimme an diesem Ort, der auch Momente der Freude und Platz für persönliche Geschichten bereithält. So erzählt wird die letzte Lebensstation zu einem Ort der Utopie, einem Ort voller Menschlichkeit.